Ein vermurkstes Wochenende mit Lernkurve

Veröffentlicht am 8. Juni 2025 um 10:02

Wie hungrig kann man sein, nach Licht? Nachdem man wieder einen weiteren deutschen Winter durchgestanden hat?

Und wie frustrierend kann es sein, am Meer auf graue Wolken zu treffen? Wissend, dass es der einzige Besuch am Meer sein wird, für das ganze Jahr?

Und wie wütend macht es einen, wenn die Wolken auch im Herzen wohnen und Regenschauer nieder gehen lassen?

Diese Zeiten, in denen man abgeschnitten von den eigenen Gefühlen versucht, doch mit aller Kraft den Deckel auf dem siedenden Topf zu halten. Es darf nicht überkochen! Man will kein Drama machen. Aushalten, weiter machen. Anderen geht es schlechter, nicht wahr? Ist da nicht so viel, für das ich dankbar sein darf?

Sicherlich. Aber ist nicht auch meine persönliche Grenze des Erträglichen genau das: Eine persönliche Grenze? Und wer achtet sie, wenn ich es schon nicht tue?

Wie lange kann man diesen Deckel halten, ehe man sich verbrennt?

 

Nicht sehr lange.

 

Wenn der Topf dann überkocht, schreit man meist die Menschen an, die einem am nächsten stehen. „Immer musst du… Nie kann ich mal… könnt ihr nicht ein einziges Mal…“

 

Und das Gegenüber ist meist ganz perplex ob dieser Explosion plötzlicher Schuldzuweisung, fühlt sich – zurecht – fälschlich angegriffen, geht zum Gegenangriff über oder zieht sich zurück, fühlt sich selber schuldig.

 

Und dann folgt das schlechte Gewissen.

 

Nach einer solchen Situation laufe ich weinend durch ein bewölktes Holland, zutiefst enttäuscht von diesem miesen Familienwochenende, dass doch so schön entspannt sein sollte. Wütend auf mich selbst, dass ich so unpädagogisch mein Kind angebrüllt habe, das mich gerade einfach so sehr fordert. Warum muss denn ich immer alles alleine tragen? Sehen denn die anderen nicht, was ich alles tue? Warum werde ich als selbstverständlich hin genommen? Was muss ich denn noch alles tun…

 

Und ich setze mich an einen Fluss und schaue in die Ferne. Weine und fühle mich so verlassen und mies. So allein.

 

Was ist es denn, was ich so suche, so ersehne? Was fehlt mir gerade so schmerzlich, dass ich hier sitze, nachdem ich davon gestürmt bin, um hier alleine in Selbstmitleid zu baden? Was brauche ich?

 

Und da erscheint es klar und deutlich vor meinen Augen, vor meinem Herzen und in meinem Hirn.

Verbindung. Ich sehne mich nach Verbindung. Und habe doch immer nur das Gefühl, funktionieren zu müssen, abliefern zu müssen. Abgeschnitten zu sein. Ich erarbeite mir meinen Wert. Indem ich alles übernehme, mich um alles kümmere, für alle mit denke. Bis ich nicht mehr kann. Und noch darüber hinaus. Weil ich das urgründliche Gefühl habe, dass ich sonst keinen Wert habe. Ich bin es nicht wert, geliebt zu sein, wenn ich nicht abliefere. Also liefere ich.

 

Und verliere mich dabei selbst.

 

Denn die Ironie daran ist folgende:

 

Verbindung entsteht, wenn du Grenzen setzt.

 

Erst, wenn du weißt, wo deine Grenzen sind und du diese selber wahrst, selber kommunizierst, sie anderen klar machst, kann wahre Bindung entstehen.

Keine Verbindung, die du dir erarbeitet hast. Nichts, was dir von anderen verliehen wird, weil sie dich anerkennen. Sondern eine ehrliche, liebevolle Connection, weil ihr beide, du und dein Gegenüber, wisst, wo eure Grenzen sind. Und diese akzeptiert.

 

Plötzlich ist es mir klar. Mir ist deutlich bewusst, dass ich dieses Gefühl aus meiner Kindheit mit in mein Erwachsenendasein getragen habe. Und ich verstehe auf einmal, dass ich reden muss. Ich muss sagen, was ich fühle. Ich darf äußern, dass es mir zuviel wird. Ich möchte die anderen wissen lassen, was ich mir wünsche. Denn nur so kann es funktionieren.

 

Und nur so kann ich meiner Tochter vorleben, wie man selfcare betreibt, wie man liebevoll für sich selbser sorgt.

Mit einem „Nein, ich möchte das nicht so machen. Ich wünsche mir das anders.“ Und dann geht man in den Diskurs.

 

Von außen betrachtet sind manche Dinge so deutlich zu sehen. Aber jeder für sich selbst, gefangen in seiner eigenen Geschichte mit dem einen oder anderen toten Winkel, sieht nicht so klar.

 

Ich bin also zurück gegangen. Und habe mich entschuldigt. Habe meiner Tochter erklärt, dass dieser Ausbruch nicht an ihr lag, dass ich anders hätte kommunizieren müssen. Ich habe ihr erklärt, dass ich mich sehr bemühe, alles richtig zu machen und ich leider oft das Gefühl habe, dass das nicht reicht. Ich glaube, sie hat das verstanden.

 

Und auch mit meinem Mann konnte ich ein klärendes und sehr aufschlussreiches Gespräch führen, dass für uns beide wichtig war.

 

Ich hoffe auf eine positive Lernkurve. Und den lezten Ferientag konnten wir noch gemeinsam bei einem langen Spaziergang geniessen, bei dem wir 11 Caches gehoben haben. Gemeinsam. Wie ich mir das vorgestellt hatte.

 

Ja, Kommunikation ist alles. Aber dazu ist es wichtig, in sich hinein zu horchen.

Was fühle ich gerade? Warum? Was wünsche ich mir? Kann ich darum bitten?

 

Erst, wenn man sich verletzlich zeigt und offen legt, was man braucht, kann wahre Verbindung entstehen.

 

Versuch es mal. Ich werde es tun.

 

 

 

 

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